Mittwoch, 24. September 2025

Offenes Wort zu Frank Breidenbruch

 


Andreas Stock 2023 ( Übermalung ) 





Frank Breidenbruch aus Wuppertal ist einer der letzten Bildhauer, die ihr Handwerk noch im klassischen Sinne betreiben. Umso trauriger ist es zu sehen, wie sein gesundheitlicher Zustand rapide abbaut – und wie gleichzeitig die Gesellschaft ihn fallen lässt. Selbst die eingeschworene Kunstgemeinschaft, die sich gerne auf hohe ethische Werte und soziale Kompetenz beruft, zieht sich zurück und lässt ihn gnadenlos im Stich.


Die Mischung aus Kunstmarkt, Kunstschaffenden und der „normalen Gesellschaft“ gönnt ihm nicht einmal das Schwarze unter den Fingernägeln. Statt Anerkennung oder Unterstützung begegnet man ihm mit Spott, Häme und Gleichgültigkeit. Ein Künstler, der so viel Positives geschaffen hat, der Generationen inspiriert und unzählige Impulse in Wuppertal gesetzt hat, wird im freien Fall sich selbst überlassen.


Natürlich gibt es auch Ausnahmen: Menschen, die Frank unterstützen. So etwa der Kunstmaler Thomas Eiffert, der ihm regelmäßig Essen, Obdach und einen Platz zum Arbeiten anbietet. Und auch einige andere, die ich hier nicht alle namentlich erwähnen kann, leisten Hilfe und stehen ihm bei. Ihnen gilt mein besonderer Dank.


Doch wie ist es möglich, dass ein Mensch, der mit so viel Kraft und Empathie gearbeitet hat, im großen Ganzen so wenig Rückhalt erfährt? Ist das nicht auch ein Spiegel unserer Gesellschaft – wo Neid, Missgunst und Anpassung an Kapitalinteressen über Menschlichkeit siegen?


Ich möchte daran erinnern: Frank Breidenbruch ist einer der größten Menschen, die Wuppertal hervorgebracht hat. Wenn es nach ihm ginge, hätte jeder Mensch genug zu essen und könnte in Würde leben. Er ist stets bescheiden geblieben, ist jedem Menschen mit Achtung und Empathie begegnet – unabhängig von Herkunft oder Stand.


Vielleicht ist es Zeit, dass wir uns gerade in Wuppertal – und besonders in der Kunstszene – wieder auf unsere Grundwerte besinnen: Menschlichkeit, Solidarität und Respekt.

Andreas Stock, 23.09.2025




Sonntag, 7. September 2025

Urknall

 


Foto / Skulptur : Andreas Stock 2025 Katalonien/ Spanien 


Die Schwarz-Weiß-Fotografie von Andreas Stock mit dem Titel „Urknall“ (2025) zeigt eine skulpturale Formation aus Treibholz am Ufer eines Sees. Das Wurzelwerk erhebt sich aus dem Sand, verzweigt, aufragend, fast explosionsartig in alle Richtungen – wie eingefrorene Energie im Moment ihrer Entfesselung.





Formale Analyse



  • Materialität & Gestalt:
    Das Treibholz erscheint nicht als Rest der Natur, sondern als dynamisches Gebilde – ein Bündel von Linien, die strahlenförmig auseinanderlaufen. Die Äste gleichen einem kosmischen Ausbruch oder einer Explosion. Der Titel „Urknall“ findet hier eine direkte visuelle Entsprechung.
  • Fotografische Wirkung:
    Das Schwarz-Weiß betont die starken Kontraste zwischen den hellen, sonnenbeschienenen Ästen und den dunklen Schatten in den Vertiefungen. Die Silhouette des Holzes hebt sich dramatisch gegen den Himmel und die Wasserfläche ab. Die Wahl des niedrigen Blickwinkels verstärkt den Eindruck monumentaler Wucht.
  • Raum und Kontext:
    Die Skulptur steht am Rand von Wasser und Land – ein Schwellenraum. Im Hintergrund eine bewaldete Landschaft, die Ruhe ausstrahlt, während das Holzobjekt wie ein eruptives Gegenbild wirkt.






Kunsthistorische Bezüge



  1. Land Art:
    Stock arbeitet mit Fundstücken aus der Natur in situ. Dies erinnert an Richard Longs Eingriffe oder Andy Goldsworthys Assemblagen – doch während diese oft kreisförmig oder harmonisch sind, sucht Stock das Chaotische, das Energetische.
  2. Surrealismus:
    Die Gestalt evoziert traumartige Wesen – ähnlich den bizarren Formen bei Max Ernsts Frottagen oder Dalís „phantastischen Landschaften“. Das organische Holz wird zur Skulptur eines unbewussten Bildes.
  3. Abstrakter Expressionismus in der Skulptur:
    Formal erinnern die eruptiven Linien an die Gestik von Jackson Pollock oder an Skulpturen von David Smith, die Bewegung und Explosion im Raum materialisierten.






Interpretation



  • Der Urknall als Metapher:
    Die Skulptur ist ein Bild für den Anfang aller Dinge – Chaos, Energie, Entstehung. Das Stück Holz, von Wasser und Zeit geformt, wird zum Symbol für kosmische Prozesse.
  • Zwischen Natur und Kunst:
    Stock entnimmt der Natur ein Fragment, das durch Kontext und Fotografie zur Skulptur transformiert wird. Die Kamera macht den „Urknall“ sichtbar, wo der Betrachter sonst nur „Treibholz“ sähe.
  • Vergänglichkeit & Ewigkeit:
    Während das Material zerfällt, verweist die Form auf etwas Zeitloses: den Ursprung des Universums, den unendlichen Kreislauf von Entstehen und Vergehen.






Fazit



Mit „Urknall“ schafft Andreas Stock ein Werk, das Natur, Skulptur und Fotografie in einer ikonischen Geste vereint. Das scheinbar Zufällige des Fundstücks wird durch die Komposition zum Sinnbild universeller Energie. Das Werk steht in einer Tradition von Land Art, Surrealismus und expressiver Fotografie – und behauptet zugleich eine ganz eigene Bildsprache, in der das Kosmische im Kleinen sichtbar wird.


Samstag, 6. September 2025

„Berlin is the new Europe“

 

Andreas Stock - Katalonien 

Die Schwarz-Weiß-Fotografie von Andreas Stock mit dem Arbeitstitel „Berlin is the new Europe“ zeigt ein Fragment urbaner Infrastruktur: ein stark beschädigter, leerer Betonblock am Straßenrand, dessen Kabel und Bruchstellen offen sichtbar sind. Das Motiv ist nüchtern und gleichzeitig aufgeladen – eine Metapher für Zerstörung, Übergang und das Unfertige im öffentlichen Raum.





Bildbeschreibung



  • Motiv: Beton, roh und abgenutzt, mit abblätternder Oberfläche und herausragenden Kabeln. Die Szenerie wirkt verlassen, beinahe postindustriell.
  • Komposition: Der Block steht leicht schräg im Vordergrund, während Straße und Landschaft nach hinten auslaufen. Der Ausschnitt gibt dem Bauwerk trotz seiner Fragmentierung eine Monumentalität.
  • Licht & Tonwerte: Schwarz-Weiß betont die raue Textur der Oberfläche und die Härte des Materials. Die Wolken am Himmel verstärken die Stimmung einer latent bedrohlichen Stille.






Titelinterpretation: 

Berlin is the new Europe



Der Titel öffnet eine politische und kulturelle Lesart:


  • Berlin als Metapher: Seit der Wende gilt Berlin als Symbol für das neue, vereinte Europa – experimentell, widersprüchlich, roh, unfertig.
  • Das Fragmentarische: Der bröckelnde Betonblock verweist auf Brüche, historische Risse und provisorische Modernisierungen, die das europäische Selbstverständnis prägen.
  • Zwischen Aufbau und Verfall: Die Fotografie zeigt das Spannungsfeld, in dem Europa (und Berlin) stehen: Baustelle, Utopie, aber auch Zerfall und ständige Rekonstruktion.






Kunsthistorische Bezüge



  1. Bernd und Hilla Becher / Düsseldorfer Schule:
    Die streng frontale, nüchterne Darstellung von Infrastruktur erinnert an die Bechers und deren systematische Fotografie von Industriearchitektur.
  2. Urban Photography & Konzeptkunst:
    Arbeiten von Thomas Struth oder Andreas Gursky greifen ähnliche urbane Motive auf, allerdings in größerer Dimension. Stock konzentriert sich auf das scheinbar Nebensächliche, den „vergessenen Rest“.
  3. Politische Fotografie:
    Im Sinne der Nachkriegsmoderne erinnert die Aufnahme an Fotografien, die nicht nur dokumentieren, sondern über den Zustand der Gesellschaft sprechen. Der Titel verstärkt diesen konzeptuellen Anspruch.






Fazit



Mit „Berlin is the new Europe“ gelingt es Andreas Stock, ein banales, beschädigtes Objekt in ein Symbol für das Politische und Gesellschaftliche zu verwandeln. Die Arbeit spricht über Bruchstellen, Übergänge und die fragile Identität Europas – und bleibt gleichzeitig offen genug, um als poetisches Bild der Vergänglichkeit gelesen zu werden.



I love your Smile

 

Andreas Stock 2025 
Ort : Spanien / Katalonien 


Die Schwarz-Weiß-Fotografie von Andreas Stock (Spanien, 2025) trägt den Titel „I Love Your Smile“. Das Bild zeigt einen ausgedienten oder unvollständig bestückten Beton-Verteilerkasten am Straßenrand, dessen offene Fächer wie Gesichter wirken. Besonders auffällig sind zwei Öffnungen in der oberen Kammer rechts, die in Kombination mit den dunklen Schatten und der rechteckigen Form den Eindruck eines lachenden Gesichts hervorrufen. Der Titel spielt ironisch und zugleich poetisch auf diese unerwartete anthropomorphe Wirkung an.





Bildbeschreibung



  • Motiv: Ein nüchternes, funktionales Straßenobjekt, das im Alltag kaum Beachtung findet. Durch den Bildausschnitt und die Symmetrie wirkt der Kasten frontal wie eine Skulptur oder architektonische Fassade.
  • Komposition: Strenge Frontalität, Betonung der Geometrie. Der Verteilerkasten ist exakt im Zentrum positioniert, wodurch er monumentaler erscheint.
  • Tonwerte: Das Schwarz-Weiß verstärkt die grafische Wirkung: Hell-dunkle Kontraste in den Fächern erzeugen Tiefe und verstärken die „Gesichtswirkung“.
  • Umgebung: Links Felder, rechts Straße – die Leere der Landschaft kontrastiert mit der beinahe „lebendigen“ Erscheinung des Objekts.






Kunsthistorische Analyse



  1. Anthropomorphisierung in der Fotografie:
    Das Werk reiht sich in eine Tradition, Alltagsobjekte so darzustellen, dass sie menschliche Züge bekommen. Vergleichbar sind die humorvollen „Objekt-Porträts“ von Fotograf*innen wie Elliott Erwitt, der in Schwarz-Weiß oft Tiere oder Straßenszenen mit subtiler Komik inszenierte.
  2. Neue Sachlichkeit & Typologie:
    Gleichzeitig erinnert die streng frontale, systematische Aufnahme an die Arbeiten von Bernd und Hilla Becher, die Industriearchitektur dokumentierten. Doch während die Bechers nüchterne Typologien ohne Humor inszenierten, fügt Stock einen poetisch-ironischen Titel hinzu, der die Wahrnehmung verändert.
  3. Vergleich zu Street Photography:
    Im Gegensatz zur Street Photography (z. B. Henri Cartier-Bresson), die den „entscheidenden Moment“ in Bewegung einfängt, zeigt Stock hier eine stille, statische Szene. Der „Moment“ entsteht nicht durch Handlung, sondern durch den Betrachterblick, der das Gesicht „erkennt“.
  4. Konzeptuelle Ebene:
    Der Titel „I Love Your Smile“ verwandelt das Bild von einer Dokumentation in ein Konzeptkunstwerk: Er spielt mit der Idee, dass selbst in den kargsten, funktionalsten Relikten der Infrastruktur ein „Lächeln“ verborgen sein kann.






Fazit



Mit „I Love Your Smile“ führt Andreas Stock das Banale in die Sphäre des Poetischen. Er zeigt, wie sehr Wahrnehmung von Kontext abhängt: Ein leerer Kasten wird zur lachenden Figur, ein technisches Relikt zur Metapher für die Fähigkeit, überall Schönheit und Humor zu entdecken. Damit bewegt sich die Arbeit zwischen konzeptueller Fotografie, Street Art-Humor und dokumentarischer Strenge – und knüpft an Strömungen von der Neuen Sachlichkeit bis zur subtilen Ironie eines Erwitt an.


Offenes Wort zu Frank Breidenbruch

  Andreas Stock 2023 ( Übermalung )  Frank Breidenbruch aus Wuppertal ist einer der letzten Bildhauer, die ihr Handwerk noch im klassischen ...