Freitag, 23. Oktober 2020

Der Zauberer und sein Zwerg

Szene I : 

Zwei Stühle, ein Tisch aus Holz. Eine Glühbirne 
schwingt leicht, mit dem Windzug.

Darunter schwebende Köpfe, darüber vier 
treibende Hüte, Schatten auf Karten werfend. 
Rauch quillt zwischen den Krempen hindurch 
dem Licht entgegen, malt fantasievolle 
Kreise. 

Betörende, weißbläuliche Schlieren 
erscheinen wie die Hologramme ihrer 
tagsüber geworfenen Lassos in dem 
Lichtkegel, welcher für diesen Moment 
der einzige existierende Ort für diese 
vier Männer auf diesem Kontinent 
zu sein scheint. 

Ihre Blicke scheinen eingefroren, 
ausser dem Rauch und der Glühbirne 
bewegt sich für Sekunden nichts. 

Die Tür öffnet sich unbemerkt,
frischer Wind strömt in den Raum,
verdünnt die Schlieren und 
Rauchschwaden. Ein winziger, 
unsichtbarer Schatten kriecht unter 
den Tisch und fängt an, die 
Tischplatte von unten mit einem 
langen Jagdmesser anzukratzen. 

Nach einer Stunde intensiven 
Kratzens und Stocherns gelingt 
es dem Schattenwinzling, ein 
kleines Loch in die dicke 
Holzplatte aus Eiche 
zu stemmen. 

Die Männer spielen unterdessen 
weiter Karten und trinken Whiskey. 
Es wird Pfeife geraucht und einige 
Zigarillos werden gepafft.

Der Schattenwinzling arbeitet 
das kleine Loch unterdessen aus 
zu einem stattlichen Loch, bis sein 
kleines verformtes Schattenhaupt 
hindurch passt. 

Ein erster Versuch scheitert und 
mit etwas Nacharbeit passt sein 
Schattenschädel schließlich durch 
die Tischplatte. 

Er kann unter dem Tisch stehen 
und seine Schattenfratze ist vollständig 
über der Tischplatte. 

Aus dunkeln Höhlen seiner 
Schattenvisage schaut er in die 
glotzenden Gesichter der 
Männer und dreht sich 
im Kreis. 

Mit einem mal wird er, durch den 
Rauch den die Lungen der Spieler 
auf ihn ergießen lassen, sichtbar für 
die Männer die mit regungslosen 
Mienen, ohne zu zögern auf den 
Schattenumriss der vermaledeiten 
Erscheinung schießen, jedoch nur 
Ihren gegenüber sitzenden 
Tischnachbarn in Brust, 
Hals oder Kopf treffen. 

Die Kugeln gehen durch den das Unlicht 
des erschrocken blickenden Schattenantlitzes 
hindurch ohne dem angedachten Ziel Schaden 
zuzufügen. 

Der letzte lebende der Männer erschießt 
sich selberund ein fünfter Mann betritt 
den Salon. Es ist der Zauberer, so nennt 
man ihn, und ist Gefangener der 
Kopfgeldjäger, welche blutüberströmt 
auf Karten, Geld und Holzspänen auf, 
neben und unter dem Tisch wie für 
einen Theaterszene arrangiert liegen. 

Der Zauberer sammelt das Geld ein 
und wischt sich nach einem großen 
Schluck aus der Whiskeyflasche 
den Mund mit seinem Ärmel ab. 

Die Fesseln haben seine Handgelenke 
blutig gescheuert und die Schmerzen 
haben ihn rasend vor Wut werden lassen.  
Der Whiskey tut seine Wirkung und eine 
wohlige Wärme durchströmtseine ganzen 
Körper aus der Mitte heraus bis in alle 
Gliedmaße. 

Er dreht sich, während unter seinem 
staubigen Stiefel ein Fingerknochen 
matschig knirscht bis er kläglich und
zart bricht, zum Wirt der erstarrt hinter 
der Theke verweilt. 

Szene II : 


Text und Bild : Andreas Stock
Ort : Witten


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