Ich bin vor drei Monaten spontan mit dem Zug verreist. Es befand sich ein Schwimmbad an Bord und ich hatte zufällig meine Badesachen ganz oben im Gepäck. Kurz nach der Abfahrt begab ich mich daher direkt ins Wasser und versuchte ein paar Bahnen zu ziehen, bevor andere Reisende hinzukommen würden. Zu meiner Verwunderung blieb ich aber allein im Becken und konnte in Ruhe und mit voller Energie meine Schwimmkunst ausleben. Da ich unregelmässig schwimme seit meine Schulzeit, war ich doch von dem eleganten Schwimmstil begeistert, den ich während der verschiedenen Lagen im Wasser entwickelte. Die ausbleibende Erschöpfung bei einer schon fast delphinartigen Fortbewegung an, und unter der Wasseroberfläche euphorisierte mich dermaßen, dass es sich schon viel mehr nach einem Flug anfühlte, mit der ich mich durch das nasse Element bewegte. Meine Körpergröße schien sich dem Becken auf sonderliche Art anzupassen oder ich bemerkte erst jetzt, wie meine Länge fast identisch mit der Beckengröße war. Wie auch immer dem sei, verließ ich das Wasser , ging die Treppe nach oben in den Speisewagen und setzte mich an einen freien Tisch. Einige der Gäste hatten auch einen Bademantel an wie ich, obwohl keiner der anderen Badegäste vorher im Schwimmbereich angetroffen wurde.
Der Kellner bot mir einen Blick in die Speisekarte an und ich wählte Paella mit Meeresfrüchten, die so üppig serviert wurde. Den Reis unter den rosigen Scampies konnte man nur erahnen, zum Dessert gönnte ich mir Feigen in Schokolade getaucht. Die Feigen wurden raffiniert, mit einer erkalteten Schockoladenschicht zu Tische getragen, sowie ein eisgekühlter Pachanegro aus Navarra rundeten das Menü festlich ab, meine Augen wurden langsam schwer.
Heute morgen wache ich ausgeschlafen auf und der Zug ist die Nacht ohne Stop durchgefahren. Die Ferne fühlend öffne ich die Augen, schaue durch einen Schlitz in der Gardine des Abteilfensters. Wir durchqueren die Salzwüste und in diesem Moment klopft es an der Tür. "Desayno" fragt eine knochige Stimme und ich rufe "Momento" zurück.
Text und Bild : Andreas Stock
Ort : Cadaqués